„Antigone“ – eine gelungene Neuinterpretation eines klassischen Stücks!

Unter Leitung von Luisa Klodt, Claudia Pfeifer-Meyer und Christoph Meyer setzte sich das 16-köpfige Ensemble der Theater AG der JGS mit den Antigone-Stücken von Sophokles und Anouilh sehr kreativ auseinander. Nicht zuletzt mit der Einführung der Familie von einem der Wächter wurde eine neue Akzentuierung des Dramas vollzogen, insofern auch die Perspektive des einfachen Volkes zur Geltung gebracht werden konnte: das ohnmächtige Entsetzen gegenüber den Handlungsweisen der Königsfamilie.

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Schwer lastet nämlich der Fluch des Ödipus auf dem Königshaus Thebens. In Schmach und Verzweiflung hatte der von eigener Hand geblendete König die Stadt verlassen müssen; den Kampf um die Thronnachfolge bezahlten die Söhne des Ödipus, Eteokles und Polyneikes, mit ihrem Leben. In Reinform haben wir hier das zentrale Thema der antiken Tragödie – die schuldhafte Verstrickung des Menschen, der dem eigenen Schicksal nicht zu entrinnen vermag.

Sophokles macht in der Fortsetzung des Familiendramas Antigone zur jungen Heldin, die mit dem göttlichen Recht auf ihrer Seite gegen das Gesetz ihres Onkels Kreon aufbegehrt. Denn dieses hat Willkür und Angst als Wurzeln, maßt sich aber an, der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Anouilh schneidert aus dem antiken Stoff das moderne Gewand eines Familienkonflikts und verwischt dabei ganz bewusst die scharfe Trennlinie dessen, was moralisch gut und was verwerflich ist.

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Eine große Herausforderung also für die Theater-AG, die gleich beide Werke als Bezugspunkt für ihre eigene Antigone-Interpretation wählte. Durch Doppelbesetzung der Hauptprotagonisten Antigone (Louisa Klöpfel / Annika Larson), Ismene (Julia Reimer / Kira Sandrock) und Kreon (Corbin Schrumpf / Ariane Wild) gelingt dabei in optimaler Weise eine Spiegelung und Brechung der jeweiligen Handlungsmotivation. Was treibt Antigone an, gegen den Befehl ihres Onkels den Leichnam des „Landesverräters“ Polyneikes, ihres Bruders, mit Erde zu bedecken – die Erfüllung ihrer religiösen Pflicht oder pure jugendliche Revolte gegen Bevormundung? Was erklärt Ismenes Zurückhaltung gegenüber Antigone  - ihre Angst vor Kreons Strafe oder auch der insgeheime Wunsch, sich von der dominanten Schwester zu emanzipieren? Schließlich Kreon, was konnte das Herz des neuen Königs derart versteinern, dass er nicht einmal seiner Nichte gegenüber Gnade walten lässt? Kaltes Machtkalkül oder hilflose Angst vor dem Gesichtsverlust? Vordergründig ist er es, der die Verantwortung für das tödliche Finale trägt.

Aber ebenso wird in der Inszenierung deutlich, dass alle Beteiligten eine Mitschuld haben aufgrund ihres individuellen Versagens: Da wären zunächst die Wachen zu nennen, deren Unfähigkeit und Feigheit mit Buckeln und Treten kompensiert werden muss (was genügend Anlass für Situationskomik gibt, v.a. durch das impulsive Spiel von Moira Al Samarraie); sodann Ismene, die sich in ihrer Freundschaft zu Lyra (Anastasia von Gilsa) so sehr von der grausamen Wirklichkeit abkapselt, dass sie der Schwester nicht den Rücken stärken kann und will; Kreons Unfähigkeit, seinem Sohn Haimon (Mary Wacker) gegenüber Versagensängste einzugestehen, so dass er lieber dessen Leben aufs Spiel setzt; aber eben auch Antigones Versagen: Sie verweigert sich den Argumenten ihres Onkels völlig und will nicht wahrhaben, dass Kreons Sorgen vor einem neu aufflammenden Bürgerkrieg durchaus berechtigt sind.

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All diese inneren und äußeren Konflikte werden geschickt in kurzen oder auch längeren Einzelszenen teils dialogisch, teils monologisch, teils pantomimisch umgesetzt. Der in seiner kommentierenden Funktion klassisch eingesetzte Chor (Lucia Schmidt als Chorführer) hinterfragt durch choreographische Figuren und sprachlich verfremdete Satzfragmente die Handlungsweisen der Akteure. Abgerundet wird die zum Nachdenken anregende Aufführung durch meist gutes Timing der Auftritte sowie passende Auswahl musikalischer Elemente und Beleuchtungseffekte.

Desweiteren wirkten neben den oben Genannten mit: Adrian Leitner, Lisa Enns, Hannah Bick, Elena Krah, Rike Hangen, Anna Wacker.

Der Dank des zahlreich erschienenen Publikums galt der guten schauspielerischen Leistung aller Ausführenden!

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